Landsmannschaft Ostpreußen

Landesgruppe Baden-Württemberg

„Nicht Mauern, sondern Brücken bauen!“

Anlässlich des Gedenktages für die Opfer von Flucht und Vertreibung fand am 23. Juni 2025 am Mahnmal für die Charta der deutschen Heimatvertriebenen am Königsplatz in Stuttgart eine Gedenkfeier mit Kranzniederlegung statt. Der baden-württembergische Innenminister Strobl, der zu der gut besuchten Veranstaltung unter freiem Himmel eingeladen hatte, sagte, man könne das Vergangene nicht ungeschehen machen. Man müsse sich damit intensiv auseinandersetzen, um daraus für die Gegenwart und Zukunft zu lernen.

Er wies auch darauf hin, dass es nur noch wenige Zeitzeugen gebe, die von den Ereignissen dieser schrecklichen Vergangenheit erzählen könnten. Niemand könne darüber objektiv berichten, Erinnerungen seien immer subjektiv geprägt. Dabei spielten Emotionen und Appelle eine Rolle und das „sei in Ordnung so“. Einzelschicksale, so Strobl, berührten oft mehr als abstrakte Zahlen. Nicht alle hätten den Mut zu erzählen. Mitunter sei auch „Schweigen das Mittel der Wahl“, um über die Traumata hinwegzukommen. Viele Kinder und Kindeskinder bedauerten es heute, dass sie ihre Eltern und Großeltern nicht gefragt haben, als dies noch möglich war. So verloren sie manche biographische Spur ihrer Eltern und Großeltern und versuchen nun, diese in Archiven zu finden. Manchmal dienen auch die Berichte anderer Zeitzeugen dazu, um quasi aus zweiter Hand zu rekonstruieren, was ihre Eltern und Großeltern erlebt haben.

Strobl, der auch der Landesbeauftragte für Vertriebene und Spätaussiedler ist, wies auch darauf hin, dass es heute möglich sei, an dieses Leid, das der Zweite Weltkrieg verursacht habe, zu erinnern. Vor einiger Zeit sei das noch nicht selbstverständlich gewesen. Heute hätten auch die Opfer von Flucht und Vertreibung ihren angemessenen Platz in der Geschichte. Strobl betonte, dass aus Vertreibung Versöhnung geworden sei. Und er wies daraufhin, dass man die Gespräche mit den Betroffenen nicht mehr ewig führen könne.

Er erinnerte auch an die Rede des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, der 1985 bei seiner historischen Rede im Deutschen Bundestag sagte, dass der 8. Mai 1945 ein Tag der Befreiung gewesen sei. Durch diese neue Bewertung der deutschen Kapitulation sei die Versöhnung mit den Nachbarn im Osten möglich geworden. Dieses Vermächtnis führe Friedrich Merz fort, als er an seinem ersten Arbeitstag als Bundeskanzler nicht nur Paris besuchte, sondern auch Warschau.

In der von den Blechbläsern des Landespolizeiorchesters würdevoll umrahmten Feier sprach auch Ernst Strohmaier, Vorsitzender der Landesgruppe Baden-Württemberg der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland. Er erinnerte daran, dass an diesem Gedenktag der Millionen Menschen gedacht werde, die nach der Kapitulation nicht in Frieden leben konnten, obwohl der Krieg zu Ende war. Doch für Millionen Deutsche war das Leid nach dem 8. Mai 1945 nicht vorbei, sondern nahm nur eine andere Form an. 

Millionen wurden entwurzelt, ihre Heimat endete in Massengräbern oder in endlosen Kolonnen auf vereisten Straßen. Die Deutschen in Russland blieben entrechtet.
Viele, so Strohmaier, hätten den Mut gefunden, Deutschland neu aufzubauen, in materieller und ideeller Hinsicht. Damit hätten sie Verantwortung übernommen für den Wiederaufbau Deutschlands.

Strohmaier schlug den Bogen zur Gegenwart, als er sagte, dass die Erinnerung an gestern dazu ermahne, Flucht und Vertreibung in der Gegenwart wahrzunehmen, denen zu helfen, die dieses Schicksal erleiden, und Barmherzigkeit zu üben. „Wer das Leid kennt, verschließt nicht die Augen“, so Strohmaier. „Wer Flucht und Vertreibung erlebt hat, baut Brücken, nicht Mauern. Wir gedenken und wir handeln. Aus Mitgefühl und Verantwortung.“

Dr. Georg Müller